Schlagwort: pandemie

Öffnungsperspektive

Von Politikern eine „klare Öffnungsperspektive“ für einen bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft zu fordern ist Unsinn. Diese zu versprechen noch viel unsinniger!

Öffnungsperspektive“ … der wort-gewordene Christian Lindner unter den Wörtern ist schon jetzt mein persönlicher Kandidat für das (Un)wort 2021. Sie zu fordern oder zu versprechen ist absoluter Unsinn, wenn damit das Versprechen gemeint ist, Coronamaßnahmen zu einem bestimmten Zeitpunkt zurückzunehmen. Wann die Maßnahmen zurückgenommen werden sollten, wird nämlich leider durch nichts anderes als die Pandemie bestimmt. Diese wiederum haben wir nur so ca. mittel in der Hand, und dieser Anteil wird praktisch überall mit nur wenigen Ausnahmen1)Australien, Neuseeland, Vietnam, … verzockt.

Sagen also irgendwelche Altmeiers oder Laschets, dass auf jeden Fall bis zu einem gewissen Datum gelockert oder geöffnet wird oder werden muss, ist das kolossaler Blödsinn. Setzen sich gefährlichere Mutationen durch oder Lockdownmaßnahmen schlagen nicht an, sodass sich die Inzidenzen entsprechend entwickeln, ist völlig egal, welche Öffnungsperspektive sich irgendwer gewünscht2)Sich eine Öffnungsperspektive zu wünschen – mit dem Wissen, dass es leider nur genau das ist, ein Wunsch – ist selbstverständlich legitim und trifft vermutlich auf ca. 100% der Bevölkerung zu., gefordert oder versprochen hat.

Ironisch und fatal ist dabei, dass diejenigen, die am lautesten termin-gebundene Öffnungsperspektiven fordern und Öffnungen versprechen, diese am meisten gefährden. Dadurch nämlich, dass sie Öffnungsschritte unabhängig von der Entwicklung der Pandemie und wissenschaftlicher Empfehlungen machen, und damit Welle für Welle, Lockdown für Lockdown, und eine fadenscheinige Öffnungsperspektive nach der nächsten befeuern.

References
1 Australien, Neuseeland, Vietnam, …
2 Sich eine Öffnungsperspektive zu wünschen – mit dem Wissen, dass es leider nur genau das ist, ein Wunsch – ist selbstverständlich legitim und trifft vermutlich auf ca. 100% der Bevölkerung zu.

Robert-Koch-Institut simuliert 2013 den hypothetischen Virus „Modi-SARS“

Das Robert-Koch-Institut, die deutsche Instanz für Gesundheit und Infektionskrankheiten, hat 2013 dem deutschen Bundestag ein Szenario zu einem Ausbruch eines hypothetischen Virus simuliert, das sie Modi-SARS nennen. Der Bericht zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz 2012 ist absolut beeindruckend in seiner Präzision und Übereinstimmung mit dem aktuellen Verlauf des neuartigen Coronavirus‘ SARS-CoV-2.

Risikoanalyse des Robert-Koch-Instituts zu einem hypothetischen „Modi-SARS“-Virus

So heißt es auf Seite 55 der Riskoanalyse: „Das hypothetische Modi-SARS-Virus ist mit dem natürlichen SARS-CoV in fast allen Eigenschaften identisch. Die Inkubationszeit, also die Zeit von der Übertragung des Virus auf einen Menschen bis zu den ersten Symptomen der Erkrankung, beträgt meist drei bis fünf Tage, kann sich aber in einem Zeitraum von zwei bis 14 Tagen bewegen. Fast alle Infizierten erkranken auch. Die Symptome sind Fieber und trockener Husten, die Mehrzahl der Patienten hat Atemnot, in Röntgenaufnahmen sichtbare Veränderungen in der Lunge […] Die Letalität ist mit 10% der Erkrankten hoch, jedoch in verschiedenen Altersgruppen unterschiedlich stark ausgeprägt. Kinder und Jugendliche haben in der Regel leichtere Krankheitsverläufe mit Letalität von rund 1%, während die Letalität bei über 65-Jährigen bei 50% liegt. Die Dauer der Erkrankung unterscheidet sich ebenfalls in Abhängigkeit vom Alter der Patienten; jüngere Patienten haben die Infektion oft schon nach einer Woche überwunden, während schwerer erkrankte, ältere Patienten rund drei Wochen im Krankenhaus versorgt werden müssen“

Die Beschreibung des hypothetischen Modi-SARS liest sich zumindest für mich als Laien sehr präzise, hier der hypothetische Steckbrief von Seite 86 der Risikoanalyse:

Steckbrief des hypothetischen Modi-SARS-Virus, erdacht vom Robert-Koch-Institut 2013

Was das RKI in dem Szenario für den weiteren Verlauf voraussagt, macht nicht unbedingt viel Hoffnung (Kapitel 2.3, aber – wie gesagt – alles hypothetisch): „Zum Höhepunkt der ersten Erkrankungswelle nach ca. 300 Tagen sind ca. 6 Millionen Menschen in Deutschland an Modi-SARS erkrankt. Das Gesundheitssystem wird vor immense Herausforderungen gestellt, die nicht bewältigt werden können. Unter der Annahme, dass der Aufrechterhaltung der Funktion lebenswichtiger Infrastrukturen höchste Priorität eingeräumt wird und Schlüsselpositionen weiterhin besetzt bleiben, können in den anderen Infrastruktursektoren großflächige Versorgungsausfälle vermieden werden. Nachdem die erste Welle abklingt, folgen zwei weitere, schwächere Wellen, bis drei Jahre nach dem Auftreten der ersten Erkrankungen ein Impfstoff verfügbar ist.“

Ich finde, man kann in diesen Tagen echt dankbar sein, dass sich Deutschland ein solch kompetentes Institut leistet und dieses Institut im Krisenfall – so zum Beispiel aktuell in der Coronavirus-Pandemie – tatsächlich auch in der Politik und Medien Gehör findet.