Von Politikern eine „klare Öffnungsperspektive“ für einen bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft zu fordern ist Unsinn. Diese zu versprechen noch viel unsinniger!
„Öffnungsperspektive“ … der wort-gewordene Christian Lindner unter den Wörtern ist schon jetzt mein persönlicher Kandidat für das (Un)wort 2021. Sie zu fordern oder zu versprechen ist absoluter Unsinn, wenn damit das Versprechen gemeint ist, Coronamaßnahmen zu einem bestimmten Zeitpunkt zurückzunehmen. Wann die Maßnahmen zurückgenommen werden sollten, wird nämlich leider durch nichts anderes als die Pandemie bestimmt. Diese wiederum haben wir nur so ca. mittel in der Hand, und dieser Anteil wird praktisch überall mit nur wenigen Ausnahmen1)Australien, Neuseeland, Vietnam, … verzockt.
Sagen also irgendwelche Altmeiers oder Laschets, dass auf jeden Fall bis zu einem gewissen Datum gelockert oder geöffnet wird oder werden muss, ist das kolossaler Blödsinn. Setzen sich gefährlichere Mutationen durch oder Lockdownmaßnahmen schlagen nicht an, sodass sich die Inzidenzen entsprechend entwickeln, ist völlig egal, welche Öffnungsperspektive sich irgendwer gewünscht2)Sich eine Öffnungsperspektive zu wünschen – mit dem Wissen, dass es leider nur genau das ist, ein Wunsch – ist selbstverständlich legitim und trifft vermutlich auf ca. 100% der Bevölkerung zu., gefordert oder versprochen hat.
Ironisch und fatal ist dabei, dass diejenigen, die am lautesten termin-gebundene Öffnungsperspektiven fordern und Öffnungen versprechen, diese am meisten gefährden. Dadurch nämlich, dass sie Öffnungsschritte unabhängig von der Entwicklung der Pandemie und wissenschaftlicher Empfehlungen machen, und damit Welle für Welle, Lockdown für Lockdown, und eine fadenscheinige Öffnungsperspektive nach der nächsten befeuern.
Sich eine Öffnungsperspektive zu wünschen – mit dem Wissen, dass es leider nur genau das ist, ein Wunsch – ist selbstverständlich legitim und trifft vermutlich auf ca. 100% der Bevölkerung zu.
Gestern wurde ich geimpft, mit dem COVID-19-Impfstoff von AstraZeneca (AZD1222). Die Impfung fand in einer gut organisierten Messehalle statt, in der die ganze Zeit genug Abstand zu anderen Impfwilligen war und zu ca. 90% FFP2-Masken getragen wurden. Der ganze Prozess dauerte von Checkin bis Checkout inklusive 15 Minuten Nachbeobachtung nach der Impfung eine gute Stunde. Das Gefühl währenddessen war schon ein merkwürdiges. So deutlich hatte ich bislang noch nicht gefühlt, Teil einer Jahrhundertpandemie und Teil einer kollektiven Kraftanstrengung zu sein.
Am Tag nach der Impfung kann ich sagen: Nebenwirkungen hatte ich praktisch keine. Ca. 2-3 Stunden nach der Impfung begann ich so etwas wie einen leichten Muskelkater im Arm um die Einstichstelle zu spüren, der bis jetzt immer mal wieder bei Belastung des Arms zu merken ist.
Mehr nicht.
Alles im Rahmen dessen, was man auch von Grippe- oder anderen Impfungen kennt. Ich weiß von Bekannten, die schon mit AstraZeneca geimpft wurde, dass es einen auch mal den Folgetag umhauen kann (Fieber, Kopfschmerzen, …). Aber auch das ist nichts, was man nicht mit Paracetamol erträglich machen kann. Außerdem ist das nichts gegen eine potentielle COVID-19-Infektion mit potentiell sehr schwerem Verlauf.
Meine aktuelle Heimat Baden-Württemberg hat am vergangenen Freitag die – aus meiner Sicht sehr vernünftige – Entscheidung verkündet, wegen des AstraZeneca-Impfstaus Impfungen für <=65-Jährige niedriger Prioritätsgruppen freizugeben. In dieser Gruppe bin ich.
Ich hatte mich schon vorher damit beschäftigt, wie ich mich im Fall der Fälle um einen Impftermin bemühen würde, kannte also zum Beispiel den Impfterminmonitor. Zu meiner großen Freude hat es mit den gewählten Mitteln sehr schnell funktioniert und ich habe bereits am kommenden Mittwoch, also nur fünf Tage nach der Freigabe, einen Impftermin. Hier dokumentiere ich den Prozess, den ich erst lernen musste und den ich als nicht vollständig intuitiv empfinde:
Schritt 1
Schritt 1 ist, auf impfterminmonitor.de nach Impfzentren in der Nähe zu suchen, die AstraZeneca-Termine1)Das gilt für unter-65-Jährige. Ü65 muss stattdessen nach Impfzentren mit verfügbaren Terminen für BioNTech und Moderna suchen verfügbar haben.
Das ist insofern relevant, dass scheinbar* für bis-65-Jährige aktuell nur der Impfstoff von AstraZeneca verimpft wird. BioNTech und Moderna werden wegen der Studienlage um AstraZeneca aktuell wohl für Impfgruppe 1 vorgehalten.* Das folgt der Empfehlung der StIKo und ist aus meiner Sicht nachvollziehbar.
Dort holt man sich zuerst seinen persönlichen Vermittlungscode, der pro Tag(!)* und pro Impfzentrum(!)* neu erworben werden muss. Dies tut man, indem man die Frage, ob der Impfanspruch schon geprüft wurde initial mit „Nein“ beantwortet. Wie gesagt: Pro Tag und Impfzentrum einmal bzw. so lange, bis man erfolgreich einen Vermittlungscode für diesen Tag (den Tag des Buchens, nicht den Tag der Impfung) und dieses Impfzentrum erhalten hat. Nach dem Klick auf „Nein“ füllt man aus, warum man glaubt, einen Impfanspruch zu haben, sowie sein Alter. Mit Glück ist zu diesem Zeitraum immer noch AstraZeneca verfügbar und man darf Email + Handynummer2)Über die Handynummer erhält man einen Zahlencode, nach dessen Eingabe erst die Email verschickt wird. Vermutlich* will man darüber sicherstellen, dass man eine schnelle, direkte Kontaktmöglichkeit zu den Impfwilligen hat. angeben, um eine Email mit dem Vermittlungscode und Link zum Buchen im Impfzentrum zu erhalten. Wenn die Meldung erscheint, dass leider kein Impfstoff oder keine Termine (mehr) verfügbar sind, gehe zurück zu Schritt 1.
XXXX-XXXX-XXXX ist hier der Vermittlungscode (gültig nur an diesem Tag und nur für dieses Impfzentrum), 12345 die Postleitzahl des Impfzentrums. Der Link kann nun über den Tag (aber nicht mehr am Folgetag) mehrfach aufgerufen werden, um Impftermine zur Auswahl zu bekommen. Die Impftermine in dieser Auswahl sind für Dich bzw. diesen Vermittlungscode 10 Minuten reserviert.*
Bei mir war die Liste der verfügbaren und für mich reservierten Impftermine die ersten gefühlten 50-100 Male: leer!
Schritt 4
Jetzt gilt es also, den Link aus der Email regelmäßig (frühestens alle 10 Minuten) neu aufzurufen und zu hoffen, dass irgendwann Impftermine zur Auswahl stehen. Ich habe mir dazu via Schritt 1+2 Links für fünf Impfzentren3)Die 116117-Hotline prüft für Anrufer auch auf Verfügbarkeit in fünf Impfzentren in der Umgebung, dies scheint also eine vernünftige Zahl zu sein. Da in den Links nicht direkt das Impfzentrum zu erkennen ist (es sei denn, man kennt die Postleitzahlen der Impfzentren auswendig), empfiehlt es sich, eine Liste zu führen, in denen man sich zu den Impfzentren die dazugehörigen Links merkt. in meiner Umgebung generiert.
Das Aufrufen der Links kann man entweder manuell machen oder automatisieren. Ich habe mich für letzteres entschieden deswegen – Achtung – wird es jetzt im Folgenden technisch. Der folgende Schritt ist allerdings optional und kann getrost ignoriert werden.
Automatisieren
Zum Automatisieren der Impfterminabfrage habe ich den folgenden Open-Source-Code genutzt:
Dieser Code stellt einen Bot zur Verfügung, den man mit den Links aus den Emails füttert. Der Bot übernimmt die Aufgabe, regelmäßig diese Links aufzurufen und Bescheid zu sagen, sobald ein Termin verfügbar ist. Mit dieser Methode hat es bei mir anderthalb Tage gedauert, um an einen Termin zu kommen.
Ich habe mich dazu bei Pushover registriert (die ersten 30 Tage kostenlos) und dann den Bot mit meinen Pushover-Daten und den fünf Links aus den Emails gefüttert. Ist eine Push-Notification über einen verfügbaren Impftermin angekommen, hat man 10 Minuten Zeit, den entsprechenden Link aus der Email (mit dem passenden Vermittlungscode und der passenden Postleitzahl des Impfzentrums) aufzurufen und den Termin zu bestätigen.
Bei dem obengenannten Bot hat die docker-Variante für mich übrigens nicht funktioniert, sondern ich habe ihn einfach via
Über die Handynummer erhält man einen Zahlencode, nach dessen Eingabe erst die Email verschickt wird. Vermutlich* will man darüber sicherstellen, dass man eine schnelle, direkte Kontaktmöglichkeit zu den Impfwilligen hat.
Die 116117-Hotline prüft für Anrufer auch auf Verfügbarkeit in fünf Impfzentren in der Umgebung, dies scheint also eine vernünftige Zahl zu sein. Da in den Links nicht direkt das Impfzentrum zu erkennen ist (es sei denn, man kennt die Postleitzahlen der Impfzentren auswendig), empfiehlt es sich, eine Liste zu führen, in denen man sich zu den Impfzentren die dazugehörigen Links merkt.
Rassismus in der Robotik, Sexismus in der Robotik, Besonderheiten der Robotik als Wissenschaft, … oder wir Arne Maibaum sagt: „Das kommt davon, wenn man mit Sozialwissenschaftler:innen über Robotik redet.“
Ich hatte es mir schon ewig vorgenommen und bin letzte Woche endlich dazu gekommen, mit Arne Maibaum (@LordElend auf Twitter) ein Interview zu dem Projekt @NotMyRobots zu führen, das er mitbegründet hat. In dem Projekt geht es vor Allem um die teilweise verstörenden Symbolbilder, die für Robotik- und AI-Artikel genutzt werden.
Das ganze Interview ist bei botzeit.de zu finden und aus meiner Sicht extrem interessant. Das liegt vor Allem daran, dass ich als Robotik-Ingenieur selten (noch nie?) mit einem/einer Sozialwissenschaftler:in über Robotik gesprochen habe. Das hat uns im Interview zu Aspekten geführt, über die ich im Kontext Robotik noch nie in der Tiefe nachgedacht habe. Das ist zum Beispiel Sexismus in der Robotik, Rassismus in der Robotik, oder die einzigartige Art und Weise, wie Robotik wissenschaftliche Evidenz kreiert. Viele dieser Aspekte werden mich noch einige Zeit beschäftigen und gegebenenfalls noch weitere Blogbeiträge nach sich ziehen.
Insbesondere muss ich seit dem Interview noch viel über Arnes Beobachtung nachdenken, dass wir in der Robotik, anders als in fast allen anderen Disziplinen der Wissenschaft, den Gegenstand unserer Forschung selbst schaffen. Ich glaube, dieser Aspekt erklärt viele Probleme, die ich als Bauchgefühl schon immer mit mir herum getragen habe, aber nie konkret benennen konnte. Vermutlich hilft dieser Teil mir dabei, einige dieser Probleme zukünftig besser und konkreter benennen zu können.
Insbesondere jedem/jeder Robotiker:in empfehle ich daher, das ganze Interview zu lesen und gerne direkt darunter oder hier zu kommentieren.
Das Robert-Koch-Institut, die deutsche Instanz für Gesundheit und Infektionskrankheiten, hat 2013 dem deutschen Bundestag ein Szenario zu einem Ausbruch eines hypothetischen Virus simuliert, das sie Modi-SARS nennen. Der Bericht zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz 2012 ist absolut beeindruckend in seiner Präzision und Übereinstimmung mit dem aktuellen Verlauf des neuartigen Coronavirus‘ SARS-CoV-2.
So heißt es auf Seite 55 der Riskoanalyse: „Das hypothetische Modi-SARS-Virus ist mit dem natürlichen SARS-CoV in fast allen Eigenschaften identisch. Die Inkubationszeit, also die Zeit von der Übertragung des Virus auf einen Menschen bis zu den ersten Symptomen der Erkrankung, beträgt meist drei bis fünf Tage, kann sich aber in einem Zeitraum von zwei bis 14 Tagen bewegen. Fast alle Infizierten erkranken auch. Die Symptome sind Fieber und trockener Husten, die Mehrzahl der Patienten hat Atemnot, in Röntgenaufnahmen sichtbare Veränderungen in der Lunge […] Die Letalität ist mit 10% der Erkrankten hoch, jedoch in verschiedenen Altersgruppen unterschiedlich stark ausgeprägt. Kinder und Jugendliche haben in der Regel leichtere Krankheitsverläufe mit Letalität von rund 1%, während die Letalität bei über 65-Jährigen bei 50% liegt. Die Dauer der Erkrankung unterscheidet sich ebenfalls in Abhängigkeit vom Alter der Patienten; jüngere Patienten haben die Infektion oft schon nach einer Woche überwunden, während schwerer erkrankte, ältere Patienten rund drei Wochen im Krankenhaus versorgt werden müssen“
Die Beschreibung des hypothetischen Modi-SARS liest sich zumindest für mich als Laien sehr präzise, hier der hypothetische Steckbrief von Seite 86 der Risikoanalyse:
Was das RKI in dem Szenario für den weiteren Verlauf voraussagt, macht nicht unbedingt viel Hoffnung (Kapitel 2.3, aber – wie gesagt – alles hypothetisch): „Zum Höhepunkt der ersten Erkrankungswelle nach ca. 300 Tagen sind ca. 6 Millionen Menschen in Deutschland an Modi-SARS erkrankt. Das Gesundheitssystem wird vor immense Herausforderungen gestellt, die nicht bewältigt werden können. Unter der Annahme, dass der Aufrechterhaltung der Funktion lebenswichtiger Infrastrukturen höchste Priorität eingeräumt wird und Schlüsselpositionen weiterhin besetzt bleiben, können in den anderen Infrastruktursektoren großflächige Versorgungsausfälle vermieden werden. Nachdem die erste Welle abklingt, folgen zwei weitere, schwächere Wellen, bis drei Jahre nach dem Auftreten der ersten Erkrankungen ein Impfstoff verfügbar ist.“
Ich finde, man kann in diesen Tagen echt dankbar sein, dass sich Deutschland ein solch kompetentes Institut leistet und dieses Institut im Krisenfall – so zum Beispiel aktuell in der Coronavirus-Pandemie – tatsächlich auch in der Politik und Medien Gehör findet.