Kategorie: Persönliches

Heimreise

Die durchlebten Phasen meiner Heimreise

Meine Heimreisen (im Sinne von: Heimreisen, nicht: „ins Heim reisen“) lassen sich in mehrere typische Phasen einteilen.

  1. Phase: Keine CDs dabei, Radiosender suchen.
  2. Phase: Das Radio beginnt zu knacken − man verlässt die Startregion und muss ab jetzt regelmäßig neue Sender suchen.
  3. Phase: Die Leute an den Rasthöfen geben allmählich das lustige Sprechen auf.
  4. Phase: Langeweile.
  5. Phase: Vertaulichkeit stellt sich ein, die durchfahrenen Ortschaften klingen mehr und mehr nach Staunachrichten.
  6. Phase: Zielphase − es lassen sich Abkürzungen fahren, Orte rufen immer häufiger Assoziationen hervor.
  7. Phase: Angekommen.
Kaffeeservice für die Fußballfrauen

Kaffeeservice und Bügelbrett

Von der Wikipedia ohne Umweg in die Köpfe

Durch einen Hinweis bin ich auf ein Bügelbrett gestoßen, das es gar nicht gibt, das es gegeben haben soll und das sich einige deutsche Online-Medien herbeiwünschen. Der folgende Artikel beschreibt, wie ein Scherzeintrag in der Wikipedia und mangelnde Sorgfalt beteiligter Redakteure dazu führen, dass eine Zeitungsente entsteht.

Jüngst erhielt ich von einem Kommilitonen einen Hinweis auf einen scheinbar lustigen Vorfall. Ein gemeinsamer Bekannter von uns soll demnach aus Spaß in der Wikipedia einen Unsinnsbeitrag verfasst haben. Gemäß der Geschichte hat sich dieser gemeinsame Bekannte über die Siegprämie der Fußballfrauen zum EM-Sieg 1989, das berühmte Kaffeeservice, amüsiert und zynisch die Wörter „sowie ein Bügelbrett“ dem Artikel hinzugefügt. Daraufhin, so wurde mir erzählt, soll es dieses Bügelbrett später sogar in der Quiz-Sendung „Wer wird Millionär?“ geschafft haben.

Hinreichend mit der Wikipedia vertraut, nahm ich dies zum Anlass, einige Minuten zu investieren. Diese Geschichte auf Ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen erfordert schließlich lediglich, einen schnellen Blick in die Versionsgeschichte des besagten Wikipedia-Artikels zu werfen. Schnell war die entsprechende Bearbeitung gefunden und ließ sich tatsächlich auf ein IP-Subnetz zurückverfolgen, das die Geschichte plausibel machte. Die Bearbeitung erfolgte am 10. September 2007 am frühen Nachmittag aus dem Subnetz meiner Uni.

Ob diese Information tatsächlich in die genannte Quiz-Sendung gefunden hat, ließ sich nicht schnell herausfinden, ich bemühte also eine namhafte Suchmaschine, das angebliche Bügelbrett im Internet aufzutreiben. Die Antwort auf diese Anfrage erstaunt mich nach wie vor; das Bügelbrett findet sich in Artikeln folgender Online-Medien:

  • Spiegel Online1)Die Sportredaktion von Spiegel online, die ich parallel zum Blogeintrag per E-Mail informierte, hat soeben (14:13 Uhr) den Fehler korrigiert und am Artikelende einen entsprechenden Hinweis angebracht. 2)Jetzt (16:38 Uhr) stimmt auch die Zwischenüberschrift; vormals „Geldprämie statt Bügelbretter“.
    : Ich werde jetzt nur noch feiern, feiern, feiern, 1. Oktober 2007
  • Stern.de: Hurra, hurra, die Weltmeister sind da, 1. Oktober 2007
  • Welt Online: Herbstmärchen für einen Sonntag, 30. September 2007
  • taz: Erst die Stille, dann der Ehrenjubel, 1. Oktober 2007
  • Berliner Morgenpost: Die Frauen haben sich durchgesetzt, 31. Oktober 2007
  • HAN (Hamburger Anzeigen und Nachrichten): Vom Kaffeeservice zum WM-Titel, 29. November 2007
  • und viele weitere …

Alle genannten Artikel tragen ein Datum, das zwischen wenigen Stunden und einigen Tagen nach dem Datum der fraglichen Wikipedia-Bearbeitung liegt. Artikel vor diesem Datum wissen nichts von einem Bügelbrett.

Wie kann soetwas passieren? Wie kann eine Nachricht, die aus einem Spaß heraus von einer anonymen Person in die Wikipedia eingetragen wird in der Mehrzahl der wichtigen deutschen Online-Medien auftauchen?

Nun mag man argumentieren, dass diese Information wenig Schaden angerichtet hat. In der Tat hat dies wohl eine untergeordnete Bedeutung und selbst die hiesige Bügelbrettindustrie wird wohl kaum eine Änderung an Absatzzahlen verzeichnet haben. Dennoch steckt hinter dieser Geschichte ein ernsthafter Kern. Dieser ist nicht unbekannt, allerdings offensichtlich hinreichend unbekannt, um selbst denjenigen, die sich damit auskennen (sollten?), nämlich Journalisten, nicht Warnung genug zu sein. An schlechten Möglichkeiten zur Verifikation der Geschichte kann es jedenfalls nicht gelegen haben; eine innerhalb weniger Augenblicke verfasste E-Mail von mir an die DFB-Pressestelle ergab als Antwort: „[…] es handelte sich um ein Kaffeeservice, kein Bügelbrett. […]“ Ein Telefonanruf hätte diese Erkenntnis vermutlich innerhalb weniger Minuten zutage gefördert.

Eine ungeprüfter Aussage findet also innerhalb weniger Tage eine signifikanten Verbreitung in den Medien und wird vermutlich nicht mehr so schnell aus Köpfen und Stammtischgesprächen verschwinden. Wie gesagt: in diesem Fall wohl wenig verheerend, aber dennoch ein Beispiel für gelungene Geschichtsverfälschung, ein gefährliches Pflaster. Diesmal ist es ein Bügelbrett, und nächstes Mal …?

Um die obige Frage zu hinterleuchten, wie es zu dem Vorfall kommen konnte:

  1. Es ist offensichtlich, dass Online-Medien seit Jahren mit wachsender Popularität des Internets auch einem wachsenden Druck ausgesetzt sind. Die Aktualität der Meldungen ist bei diesem Medium sicherlich noch um ein Vielfaches entscheidender als bei „alten“ Medien. Dass dies jedoch zu mangelnder Recherche führt und Falschmeldungen begünstigt, ist bedauerlich und hochgradig erschreckend.
  2. Ein weiterer möglicher Grund ist, dass das fragliche Ereignis 1989 stattgefunden hat – also zu einer Zeit, in der das World Wide Web gerade erst unter Laborbedingungen entstand. Berichte aus erster Hand sind also im Internet nicht zu finden. Offensichtlich wird jedoch trotzdem die Wikipedia, die es erst seit dem Jahr 2001 gibt, als Quelle herangezogen. Das ist okay, jedoch darf sie aus prinzipiellen Erwägungen heraus nicht als einzige Quelle, erst recht nicht zu Geschehnissen dieser Zeit, herangezogen werden.
  3. Das Fass, dass männerdominierte Strukturen des Sportjournalismus‘ eventuell die Mär um ein Bügelbrett als Prämie begünstigt haben, möchte ich gar nicht aufmachen. Zumal in diesem Fall erst untersucht werden müsste, wie diese Falschmeldung dann ihren Weg auch in die taz gefunden hat.

Diese Gründe mögen zutreffend sein oder nicht; sie entschuldigen aber keinesfalls das ungeprüfte Übernehmen von Aussagen aus einer Quelle, die

  1. nicht verifizierte Informationen enthält/enthalten kann,
  2. von Freiwilligen erstellt wird,
  3. bekanntermaßen von Vandalismus betroffen ist.

Hierzu möchte ich noch einer Reaktion vorbeugen, die mir bereits häufiger in diesem Themenbereich begegnet ist. Die Schuld sehe ich in diesem Fall in keinerlei Hinsicht bei der Wikipedia. Weder bei den Autoren, noch den Verantwortlichen, noch – und das ist wichtig – bei dem System selbst. Die Wikipedia hat nie ein Hehl daraus gemacht, dass in ihr enthaltene Informationen ohne jede Garantie bereitgestellt werden und unbedingt durch weitere Quellen verifiziert werden müssen. Solange die Pläne, in der Wikipedia verifizierte Artikelversionen3)Ist mittlerweile umgesetzt. anzubieten, nicht in die Tat umgesetzt wurden, gilt für alle Benutzer und insbesondere für Journalisten, dass die Wikipedia ein Nachschlagewerk aber niemals alleinige Quelle sein darf.


Nachtrag: Über wikipedistik.de kam von Mathias soeben der Hinweis, dass sich das Bügelbrett mittlerweile selbst in einer Rede des Bundespräsidenten finden lässt.

References
1 Die Sportredaktion von Spiegel online, die ich parallel zum Blogeintrag per E-Mail informierte, hat soeben (14:13 Uhr) den Fehler korrigiert und am Artikelende einen entsprechenden Hinweis angebracht.
2 Jetzt (16:38 Uhr) stimmt auch die Zwischenüberschrift; vormals „Geldprämie statt Bügelbretter“.
3 Ist mittlerweile umgesetzt.

Neue Website

Ich habe eine neue Website. Das Layout ist überarbeitet, der Inhalt ist zurückgesetzt und die Ecken sind ausgefegt. Viel Inhalt ist noch nicht zu sehen, aber das kommt …

Arne