Eine der jüngeren Forderungen der CDU ist es, die deutsche Sprache im Grundgesetz zu verankern. [1] Doch was hat das für Auswirkungen auf den Alltag der Deutschen?
Der betreffende Artikel 22 des Grundgesetzes legt bislang relativ unspektakulär lediglich die Hauptstadt und die Farben der Bundesflagge fest. Doch wenn dieser Artikel um den betreffenden Absatz erweitert wird …
… wird dann vom Verfassungsschutz beobachtet, wer mehrmals der Verwechslung von „als“ und „wie“ auffällig geworden ist?
… werden wir alle durch das tägliche Lauschen von Gesprächen zu IMs? [2]
… wertet das den Beruf des Deutschlehrers auf?
… werden diese nun besonders sorgfältig vom Verfassungsschutz beobachtet, weil sie durch schlampigen Unterricht potentielle Verfassungsfeinde ausbilden?
Fragen über Fragen. Wer weiß, ob sich jedes Mitglied des CDU-Parteitags darüber hinreichend im Klaren war.
Kann man der Lufthansa einen Flug schenken? Einen bezahlten Flug nicht antreten? Nein.
Angenommen, ich buche einen Flug von München nach Tokio. Angenommen, ein Direktflug ist nicht zu haben, sondern es ist ein Zwischenstopp über Frankfurt nötig. Angenommen, ich buche also die Flüge „München − Frankfurt“ und „Frankfurt − Tokio“ als Paket. Angenommen, nun stellt sich einige Tage vor dem Flug heraus, dass ich durch andere Termine bereits am Vortag des Fluges in Frankfurt bin und den Flug von München nach Frankfurt nicht wahrnehmen muss. „Kein Problem“ denke ich mir in dieser hypothetischen Situation. Aber weit gefehlt!
Mit einerseits der Freude darüber, wie sich der Termin in Frankfurt und der Flug nach Tokio ergänzen und mit andererseits der Furcht vor einer schlechten CO₂-Bilanz begebe ich mich in dieser Fabel ans Telefon, um die Lufthansa darüber zu informieren, dass sie meinen Sitzplatz für den Flug von München nach Frankfurt nun ein zweites Mal verkaufen darf.
Vorsicht, Lufthansa!
Teilt man diese frohe Kunde dem freundlichen Personal beim Lufthansa-Kundenservice mit, erlebt man eine Überraschung: „Das ist leider nicht möglich, Herr **“.* Verdutzt versucht man zu erklären, dass man nicht einmal das Geld zurückverlangen will, sondern man lediglich über den jetzt frei gewordenen Platz informieren wollte − vergeblich. Man erfährt aber überrascht, dass man den Flug antreten muss, da man sich sonst nicht nur den Anschlussflug von Frankfurt nach Tokyo, sondern auch eventuelle Rückfluge bequem aus dem Kalender streichen darf, da man entweder alle Flüge antritt, oder gar keinen. Wirklich! Selbst mit Händen und Füßen (und das per Telefon) lässt sich nichts erreichen. Lediglich ein mitleidiges „Ich hab es mittlerweile auch d´rangegeben, dass hier alles Sinn macht.“ lässt sich der freundlichen Dame am Telefon entlocken.
Noch einmal zum Mitschreiben: Möchte ich bei der Lufhansa auf einen Flug aus einer Reihe von Flügen verzichten, kann ich das nicht. Tue ich dies, verfallen sämtliche Flüge der Buchung. Konkret heißt das:
In dem einführenden Beispiel − das so stattgefunden hat − lassen sich nur beide Termine (der in Frankfurt und der Flug nach Tokyo) wahrnehmen, wenn man in der Nacht vor dem Flug einen zusätzlichen Flug oder eine andere Reisemöglichkeit von Frankfurt nach München bucht, um direkt im Anschluss den Flug von München zurück nach Frankfurt wahrnehmen zu können. Einfach aberwitzig!
Ein anderes denkbares − und auch so bereits tatsächlich dagewesenes − Szenario kann folgendes sein: Man bucht einen sündhaften teuren Urlaub mit Hin- und Rückflug. Aufgrund hier nicht relevanter Umstände verpasst man den Hinflug. Um den Urlaub trotzdem machen zu können, bucht man sich einen Ersatz für den Hinflug, nur um am Ende des Urlaubs feststellen zu müssen, dass man den Rückflug nicht antreten darf, da man den Hinflug nicht angetreten hat.
Klingt absurd, ist aber so. Beides ist so geschehen.
Forscht man ein wenig nach, stößt man darauf, dass es sich hier keineswegs um den alltäglichen Wahnsinn, undurchdringbare Bürokratie oder mangelnde Kompetenz des Kundenservice handelt. Es ist auch nicht irgendwelchen wirren Terrorismusvorbeugemaßnahmen geschuldet − sondern hat System. Die Lufthansa macht auf diese Art und Weise Preispolitik. Durch die Kopplung von Flügen lassen sich recht bequem Passagierströme lenken und die Auslastung von Flügen und Flughäfen steuern. So kann es durchaus vorkommen, dass ein Flugpaket „A nach B nach C“ mitunter deutlich günstiger ist als der Einzelflug „B nach C“. Passagiere könnten nun auf die Idee kommen, das günstigere Flugpaket „A nach B nach C“ zu buchen, obwohl sie nur von B nach C wollen.
Die Sache wird noch absurder. Mitunter kann es sogar soweit kommen, dass das Flugpaket „A nach B und zurück zu A“ weniger als die Hälfte kostet als das Flugpaket „B nach A und zurück zu B“ (dazu kann es z. B. kommen, wenn ein beliebtes Wochenendziel und entspreche Flugtermine betroffen sind). Ein findiger Passagier könnte nun auf die Idee kommen, zweimal das Flugpaket A→B→A zu buchen, aber nur jeweils einen der Flüge anzutreten, um damit trotzdem gegenüber dem Flugpaket B→A→B zu sparen. Auch das wird allerdings durch die Tatsache verhindert, dass bei der Lufthansa Flugscheine ihre Gültigkeit verlieren, „wenn […] nicht alle Flugcoupons vollständig und in der im Flugschein vorgesehenen Reihenfolge“genutzt werden. [1]
Wer hier eine Verletzung von Verbraucherinteressen wittert, liegt gegebenenfalls nicht ganz verkehrt. Der Sache hat sich bereits das Landgericht Frankfurt [2] und das Landgericht Köln [3]angenommen. Beide sprechen den Fluggästen mehr Rechte in der Sache zu und erklären den entsprechenenden Passus der AGBs bzw. deren Inhalt für nicht rechtmäßig. Sie erklären, den Beklagten ginge es darum, „Kunden für ihr Verhalten beim Vertragsschluss mit dem Verlust ihrer Rechte [zu] bestrafen, wenn sie ein preiswertes Angebot wahrgenommen haben, mit dem nicht sie, sondern andere Kunden angelockt werden sollten“ um „das hohe Preisniveau in einzelnen Marktsegmenten zu erhalten“.[2]_ Und obwohl bereits 2005 das Amtsgericht Köln ähnlich gegen die Lufthansa entschieden hatte,[4]_ und obwohl die Lufthansa sich das CO₂-Sparen auf die Fahne schreibt, ist sie nach wie vor nicht dazu zu bewegen, dass man gebuchte Flüge verfallen lassen kann, ohne eklatante Nachteile in Kauf zu nehmen.
Die Entscheidung am Langericht Köln vom Ende November diesen Jahres gegen die Lufthansa ist nach meinem Kenntnisstand zum aktuellen Zeitpunkt (4. Dezember 2008) noch nicht rechtskräftig.
Mit Dank an T.G. für Idee und Hilfe bei der Recherche.
Nachtrag: 4. August 2009: Das Oberlandesgericht Köln hat zugunsten der Lufthansa und zugunsten der Tarifpraxis entschieden. Die Lufthansa darf demnach zunächst weiter ihren Kunden das Cross Ticketing verbieten. Die Revision ist zugelassen, die Verbraucherzentralen können also in eine weitere Runde gehen. Via lawblog.
Süddeutsche Zeitung Nr. 277 von Freitag, 28 November 2008 − Interview mit „Song-Produzent“ Michael Cretu, Seite 30.
Song-Produzent Michael Cretu[#]_ über die Frage, was ein Nummer-eins-Hit kostet, den Neid der Deutschen und warum er dem Kommunismus seiner Karriere verdankt.
„SZ: Den Deutschen wird nachgesagt, sie seien sehr neidisch.“ „Cretu: Das mag wohl stimmen. Ich maße mir darüber kein Urteil an […]“
[…]
„SZ: Sie verdankem dem Kommunismus Ihre Karriere?“ „Cretu: Soweit würde ich nicht gehen.“
Ein bemerkenswerter Spagat zwischen Überschrift und Inhalt. Zumindest in der Überschrift erstgenannter Punkt wurde im Laufe des Interviews noch geklärt.
Lutz Heilmann hat die deutsche Website http://wikipedia.de per einstweiliger Verfügung sperren lassen, da ihm sein Wikipedia-Artikel nicht gefiel. Was das genau heißt, wie erfolgreich seine Methoden für ihn und für die Wikipedia waren und was überhaupt das Ziel gewesen sein kann, will ich hier versuchen, etwas differenzierter zu betrachten.
Dass Lutz Heilmann die deutsche Startseite der Wikipedia http://wikipedia.de hatte sperren lassen ist hinlänglich bekannt. Dass die Sperre wieder aufgehoben ist und man bei der Linken („Die Linke“) um Schadensbegrenzung bemüht ist, ist auch bekannt geworden. Aber wie kam es dazu? War die Aktion gerechtfertigt? War sie erfolgreich? Welche Auswirkungen hatte sie?
Zunächst einmal möchte ich klarstellen, was überhaupt gesperrt wurde. Die Website http://wikipedia.de ist eine Seite, die keinen Inhalt zur Verfügung stellt, sondern im wesentlichen eine komfortable Suchmöglichkeit für die deutschsprachige Wikipedia anbietet. Die Inhalte, die darüber gefunden werden, befinden sich in der wirklichen deutschen Wikipedia unter der Internetadresse http://de.wikipedia.org. Die Website http://wikipedia.dewird von einem gemeinnützigen, deutschen Verein betrieben, des Wikimedia Deutschland e.V., der der Wikimedia Foundation, der Betreiberin der Wikipedia nahesteht; sowohl was die Ziele anbelangt, als auch was das Objekt der Mühe und Pflege anbelangt: die Wikipedia und allgemein freies Wissen.
Inhaltlich verantwortlich ist der Wikimedia Deutschland e.V. also nicht für die Inhalte der Wikipedia, sondern hat im konkreten Fall lediglich eine Suchfunktion unter der Adresse http://wikipedia.de zur Verfügung gestellt. Die von Heilmann erwirkte Sperre betraf damit also auch nicht die Inhalte, auf die sich seine Kritik bezog, sondern lediglich einen von mehreren Zugängen zu diesen Inhalten. Inwieweit eine solche Sperre erfolgreich sein kann, erläutere ich später.
Ein weiterer gewichtiger Punkt ist die Frage nach dem Grund dieser Sperre. Heilmann hat über seinen Anwalt, seiner persönliche Website und einen Haufen weiter Kanäle verlauten lassen, dass er sich an gewissen „falschen, ehrabschneidenden […] Inhalten“ und „falschen Tatsachenbehauptungen“ des Artikels stößt. Welche genau das waren, wird sich gegebenfalls noch herausstellen. Einfach zu sagen ist das aus der Beobachterposition nicht, denn der Artikel bot zum Zeitpunkt der Verfügung [1] genug Potential um eine Ehrabschneidung zu verursachen. Dazu zählen sowohl die Schilderung von Heilmanns Stasi-Vergangenheit, Aussagen über seine Beteiligung an Sex-Angeboten im Internet sowie eine Passage zu Tatvorwürfen gegen ihn und daraufhin angeblich aufgehobener Immunität.
Nachdem die Sperrung der Wikipedia-Startseite bekannt wurde, brach eine Welle der Entrüstung los, die sich vom Internet bis in Mainstream-Printmedien zog. Grundsätzlich ist diese Entrüstungswelle beruhigend, da sie zeigt, dass noch eine gewisse Sensibilität gegenüber Grundrechten wie Presse- und Meinungsfreiheit vorhanden ist. Den ein oder anderen Beobachter der letzten Jahre wird das aufgrund der allgemeinen Gleichgültigkeit gegenüber Diskussionen zur Beschneidungen von Grundrechten einigermaßen wundern. Nichtsdestotrotz ist durchaus plausibel, dass falsche Gründe diese Welle losgetreten haben. Diese könnten sein:
Vielen wird nicht klar gewesen sein, welche Seite und was genau damit gesperrt wurde. Wie oben erläutert, wurde zu keiner Zeit Inhalt aus dem Internet entfernt oder der Zugang dazu versperrt. Gesperrt wurde lediglich eine Weiterleitung auf diese Inhalte, da die Sperrung der eigentlichen Inhalte aus der deutschen Rechtslandschaft heraus durch die Tatsache erschwert ist, dass sie auf US-amerikanischen Servern unter der Schirmherrschaft einer US-amerikanischen Foundation liegen. Möglicherweise geht hier also ein deutlicher Teil der Entrüstung auf die Angst, die deutschsprachige Wikipedia wäre nicht mehr erreichtbar. Sie war es zu jeder Zeit unter der eigentlichen und richtigen Internetadresse http://de.wikipedia.org.
Ein weiterer Grund wird ein gewisser Beißreflex gewesen sein, der immer aufkommt, wenn das Wort „Stasi“ fällt. Gemischt mit der Tatsache, dass hier ein Politiker der Linkspartei die Verfügung erwirkte, ließ einige Beobachter reflexartig die DDR und den bittersten Kommunismus heraufbeschwören. Daran, dass die Stasi nach wie vor solche Reaktionen hervorruft lässt sich wiederum einiges Positives finden, wenngleich der amtierende Innenminister diese Reaktion möglicherweise mit Skepsis sieht. Die Tatsache, dass es sich sehr wahrscheinlich bei der Verfügung gar nicht um die Erwähnung der Stasi-Vergangenheit des L. Heilmann drehte, ging in diesem Tumult unter. Auch hier liegt allerdings wahrscheinlich ein weiterer großer Teil der Entrüstung.
Abzüglich der genannten Fehlinterpretation bleiben also die tatsächlichen Gründe für die Verfügung. Geht man davon aus, dass Heilmann sich an den Aussagen zu seiner Verwicklung in Sex-Angebote im Internet oder der Aussage zu dem Tatvorwurf gegen ihn stieß, ist die Entrüstung nicht mehr klar gerechtfertigt. Blickt man in die aktuelle Artikelversion [2] , befinden sich beide fraglichen Aussagen nicht mehr im Artikel. Und das hat gute Gründe! In den Tagen nach Bekanntwerden der Verfügung hat der Artikel eine massive Steigerung der Aufmerksamkeit von Wikipedia-Autoren erfahren. Die Diskussionsseite zum Artikel wuchs bis zum jetzigen Zeitpunkt in weit über tausend Bearbeitungen um mehrere Bildschirmseiten Text [3] . Darin wurden die fraglichen Aussagen ausführlich diskutiert, es wurden Belege dafür gesucht und es wurden Grabenkämpfe geführt. Die jetzige Artikelversion ist keinesfalls einer Zensur oder einem Einknicken der Wikipedia-Autoren geschuldet, sondern der ausführlichen Diskussion und der Erkenntnis, dass die Textpassagen, die Lutz Heilmann wahrscheinlich zum Anlass für die Verfügung nahm, tatsächlich in der damaligen Form nicht haltbar sind.
Legt man diese Tatsache und die Persönlichkeitsrechte von Lutz Heilmann zugrunde, lässt sich der Handlungsbedarf aus seiner Sicht sehr gut nachvollziehen. Nun können diesem Handlungsbedarf mehrere verschiedene Handlungen entwachsen. Die Entscheidung, gegen den Wikimedia Deutschland e.V. vorzugehen und die Website http://wikipedia.de sperren zu lassen ist wahrscheinlich der gewichtigste Punkt, den man Heilmann zum Vorwurf machen kann. Aus folgenden Gründen:
Wie schon obig erwähnt, ist die Sperre von http://wikipedia.de nur bedingt sinnvoll, da sie lediglich eine Weiterleitung darstellt und nicht im Mindesten den alleinigen Zugang zu den deutschsprachigen Inhalten darstellt. Suchmaschinen liefern weiterhin Treffer zu den eigentlichen Inhalten unter http://de.wikipedia.org.
Auch ist hier der juristisch Angegangene, der Wikimedia Deutschland e.V., nicht direkt für die beanstandeten Inhalte verantwortlich, also auch falsches Ziel dieser Aktion. Allein die Verlinkung der Wikipedia-Inhalte kann hier angelastet werden.
Auch die Frage, inwiefern sich Inhalte überhaupt aus dem Internet entfernen lassen, sollte sich mittlerweile herumgesprochen haben. Mehr noch: Das Internet (in seiner personifizierten Form) reagiert üblicherweise auf derlei Störungen durch eine heftige Gegenreaktion. Sogar einen Namen hat dieses Phänomen bereits bekommen: Der „Streisand-Effekt“ [4] . In diesem Fall deutlich nachvollziehbar anhand des sprunghaften Anstiegs der Zugriffszahlen des Artikels über Lutz Heilmann von knapp dreistelligen Zugriffszahlen pro Tag auf gut sechsstellige:
Zugriffszahlen des Wikipedia-Artikels zu Lutz Heilmann im November 2008
Nichtsdestotrotz ist auch dieser Vorwurf an Heilmann differenzierter zu betrachten. Ist eine vermeintlich „ehrabschneidende“ Behauptung über die eigene Person im Internet aufgetaucht, ist das eine gewichtige Sache. In Zeiten, in denen Informationen in vermehrten Maße im Internet gesucht werden, ist eine solche Behauptung von großem Belang. Was also tun? Die Idee von Heilmann, dagegen etwas zu unternehmen, sehe ich absolut vom Menschenverstand und darüber hinaus vom auch im Internet nach wie vor gültigen Persönlichkeitsrecht gedeckt.
Durch die Struktur des Internets, mit seinem user-generated Content und den dynamischen und kaum greifbaren Vorgängen, die mehrere geographische und rechtliche Zonen übergreifen, sind derlei Rechte kaum durchsetzbar. Dass einen Bundespolitiker, der auf seinen Ruf in besonderem Maße angewiesen ist, ein Gefühl der Machtlosigkeit überkommt und in Folge daraus die Idee erwächst, das einzig Greifbare auch zu greifen, ist für mich nachvollziehbar. Da die Inhalte der Wikipedia wie erwähnt in den USA liegen, ist der Wikimedia Deutschland e.V. das direkteste und einfachste Ziel für einen deutschen Anwalt.
Gerade im Umfeld der Wikipedia-Autoren wurde als einfachste und gegebenenfalls tatsächlich zielführendste Alternative aus Sicht von Heilmann genannt, sich an der Diskussion zum Artikel selbst zu beteiligen und auf Fehler hinzuweisen oder sogar selbst die fraglichen Passagen zu entfernen. Vergessen wird dabei jedoch, wie schwierig dieser Vorgang für Außenstehende ist, die nicht erfahren im aktiven Umgang mit der Wikipedia sind. Abgesehen davon, dass die Nachricht über die freie Editierbarkeit der Wikipedia noch nicht einmal in alle Köpfe vorgedrungen ist, missachtet dieser Vorschlag die Komplexität, die die Bearbeitung in der Wikipedia mittlerweile mit sich bringt. Dazu zählt zum einen das technische Vermögen, die Software zu bedienen. Selbst wenn man diese beiden Hürden überwunden hat, man also die Editierbarkeit der Wikipedia kennt und imstande ist, die Software zur Korrektur kleiner Rechtschreibfehler zu nutzen, ist man noch weit von dem entfernt, was hier vorgeschlagen wird. Um inhaltlich mitarbeiten zu können, sind eine schier unüberblickbare Anzahl von Konventionen, ungeschriebenen Gesetzen und typischen Vorgängen der Wikipedia zu beachten. Eine nicht einfache Aufgabe, wie das mittlerweile geschaffene Wikipedia-eigene Mentorenprogramm belegt.
Auch hier geht es allerdings pfiffiger: Ein einfacher, begründeter Hinweis an öffentliche E-Mail-Adressen der Wikimedia-Foundation oder des Wikimedia Deutschland e.V. hätte vermutlich gereicht. Das zumindest belegen erfolgreiche Versuche anderer Bundespolitiker, die damit zu recht angemerkte Fehler in Artikeln beseitigt haben.
Bleibt also, ein Fazit zu versuchen: Wie sich herausgestellt hat, sind die von Heilmann beanstandeten Passagen tatsächlich fragwürdig. Die Schlüsse, die Heilmann daraus gezogen hat und die Waffen, die er gewählt hat, sind wohl die falschen gewesen, sind aber durch mangelndes Verständnis der Internetlandschaft und der Wikipedia vollständig zu erklären. Ob und in welchem Maße man ihm dieses mangelnde Verständnis vorwerfen will, bleibt dem Beobachter belassen.
Da die gesperrte Internetseite nun wieder freigeschaltet ist und zu keiner Zeit die tatsächlichen Inhalte der Wikipedia unzugänglich waren, halten sich die Schäden für die Allgemeinheit in engen Grenzen. Es lassen sich aber auch durchaus positive Konsequenzen finden. Eine sehr greifbare ist die Spendenflut, die in den letzten Tagen die Entrüstungswelle mit sich brachte und dem Wikimedia Deutschland e.V. bis jetzt bereits über 30.000 Euro Geldmittel einbrachte. Zahlreiche Spenden[8] liefen ein, mit Kommentaren wie:
„Schöne Grüße an Lutz Heilmann, MdB (Die Linke)“
„inspiriert durch L. Heilmann“
„“Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden“ Rosa Luxemburg, Gruß an die Linkspartei“
Eine weitere positive Erfahrung ist, welch eine breite und mächtige Reaktion eine vermeintliche Sperrung von Inhalten hervorruft. Ich bin davon angesichts der jüngsten Reaktionen von Öffentlichkeit und Presse auf Beschneidungen von Grundrechten überrascht und darüber in höchstem Maße erfreut. Wenn es jetzt noch gelingt, die Persönlichkeitsrechte nicht aus den Augen zu verlieren, auch wenn es sich um einen ehemaligen Stasi-Mitarbeiter handelt und man politisch keine Gemeisnamkeiten findet, und die (Re)aktionen von Lutz Heilmann darüber hinaus noch etwas differenzierter zu betrachten, sind die letzten Tage gar nicht so schlecht verlaufen. Ob es der Linken gelingt, den Scherbenhaufen zusammenzukehren und ob Lutz Heilmann mit der Publicity etwas anfangen kann, wird sich zeigen.
Auf meinen letzten Blogeintrag gab es viele interessante Reaktionen, die ich hier zusammentragen will.
Überrascht war ich von den positiven Reaktionen auf meinen letzten Blogeintrag. Das meint sowohl Kommentare in meinem Blog als auch die Art, wie zahlreiche andere Blogs diese Geschichte aufgenommen und um Informationen und Gedanken erweitert haben.
Zuallererst große Freude darüber, dass die Kritik an den „hereingefallenen“ Medien der Kritik an Wikipedia deutlich überwog. Meine anfängliche Befürchtung, die Verbreitung des Bügelbretts würde allein dem System der Wikipedia zugeschoben, hat sich als größtenteils unberechtigt herausgestellt.
Dabei darf die Tatsache, dass sich diese unbelegte Bearbeitung in dem Artikel gehalten hat, natürlich durchaus kritisch diskutiert werden. Aufgefallen war sie nämlich. [1] Das Problem ist allerdings bekannt und die Entwicklung in der Wikipedia geht in diesem Belang deutlich in die richtige Richtung.
Gefreut habe ich mich auch über die zahlreichen Hinweise zu weiteren Sichtungen des Bügelbretts. Wie schon im vorherigen Beitrag nachgetragen, kam der Hinweis auf eine Rede des Bundespräsidenten (Dank an Mathias und wikipedistik); auf Erwähnungen in zahlreichen Printmedien (Welt, Welt am Sonntag, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Tagesspiegel, taz und Berliner Morgenpost und Presseagenturen AP, dpa und SID; Dank an Stefan Niggemeier) und auf die „Wer wird Millionär“-Sendung vom 22. November, in der das Bügelbrett von Günther Jauch behauptet wurde.
Die damit deutlich gewordene weite Verbreitung nährt meine Vermutung, dass dieses Bügelbrett nie mehr verschwinden wird. Ironischerweise ist es durchaus denkbar, dass das Bügelbrett in nächster Zeit wieder seinen Weg in seinen Ursprungsartikel findet; ausführlich belegt mit zahlreichen scheinbar verlässlichen Quellen aller Art.
Die Profis [2] haben sich bis auf wenige Ausnahmen bisher weitestgehend bedeckt gehalten. Heise hat reagiert und nachrecherchiert, dort war man sich aber offensichtlich nicht sicher genug, ob es sich hier wirklich um die schlussendlich richtige Version der Geschichte handelt.
Spiegel online hat sich artig bedankt, den Artikel korrigiert und mit einem Hinweis versehen. Vorbildlich. Als ich auf Hinweis eines Kommentars im Blog auch noch auf eine weitere Bügelbrett-Erwähnung im SpOn-Artikel hinwies, hat man jedoch vorsichtshalber hinzugefügt, dass man mir leider kein Honorar für die Recherchearbeit zahlen könne.
Die Frage, wie bzw. ob man sich denn sicher sein könnte, dass die hier dokumentierte Version der Geschichte die richtige ist, ist richtig und durchaus interessant. Die Möglichkeit, dass sowohl die Wikipedia-Bügelbrett-Bearbeitung als auch die zahlreichen weiteren Artikel auf ein und derselben Quelle beruhen (verwirrtes Spieler-Interview, o. Ä.), besteht ja theoretisch. Hier müssen ich und alle Menschen dieser Welt letztendlich einfach auf die Aussage des besagten Bekannten vertrauen, der der Vater dieses Bügelbrettes ist und die Sinn- und Quellfreiheit seiner Bearbeitung erneut versichert hat.
Es bleibt als Lehre,
dass man niemanden vertrauen kann (selbst dem ersten Mann im Staate nicht),
dass sich Telefon-Interviews meinem Kompetenzbereich vollständig entziehen
und dass es eine tolle Idee gewesen wäre, diese Meldung über eine verbreitete Wikipedia-Falschmeldung selbst als Falschmeldung zu erfinden und lancieren, um die Reaktionen in der Blogosphäre zu beoachten. Naja, vielleicht nächstes Mal.